Herrenhaus einer villa rustica

Innenansichten

 

 

 

Frontlänge:    31 m

Breite:            29 m

Nutzungszeit: 2. - 4. Jh.

Eine typische villa rustica in unserer Region lag inmitten ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen und bestand aus einem rechteckigen, mit einer Mauer oder Hecke umgebenen Hofareal, auf dem sich ein Hauptgebäude (Herren-, Haupthaus) sowie mehrere Neben- und Wirtschaftsgebäude befanden. Das Herrenhaus war, mit seiner in der Regel nach Süden ausgerichteten, aufwendig gestalteten Hauptfassade (Schauseite), das herausragendste Gebäude.

Grundtyp

Die architektonischen Variationen der römischen Herrenhäuser in unserer Region waren vielfältig. Mehrheitlich lassen sie sich aber auf einen Bautyp zurückführen: Einem quadratischen oder rechteckigen zentralen Raum oder Hof ist ein nach der Fassade hin offener Säulengang (Portikus) angebaut, der an den beiden Ecken durch zwei vorspringende Eckbauten (Risaliten) eingefasst war. Diesen Villentyp bezeichnet man auch als Eckrisalitvilla mit Frontportikus.

Eckrisaliten

Die Eckrisaliten, mit quadratischer oder rechteckiger Grundfläche, waren oft mehrstöckig und erhielten dadurch ihr turmähnliches Aussehen. Sie enthielten Wohn- und Wirtschaftsräume und konnten unterkellert sein. Gelegentlich lässt sich auch die Nutzung eines Resaliten als Badetrakt nachweisen.

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Kellerraum

Ein oder mehrere Räume konnten unterkellert sein. Als Beispiel ist im Rekonstruktionsversuch unter dem rechten Risalit ein Kellerraum angenommen, den man von der Halle im Zentralbau über eine Treppe erreichen konnte. Ein Kellerraum diente vorwiegend als Vorratsraum für leicht verderbliche Waren, wenngleich eine Mitbenutzung als Hausheiligtum (z. B. Mithraskult) nicht auszuschließen ist.

 

Portikus

Zwischen den Eckrisaliten, vom Außenniveau deutlich abgehoben, befand sich vor der Hauptfront des Herrenhauses eine Portikus (lat. porticus). Darunter versteht man einen mit Säulen oder Pfeilern geschmückten, nach vorne offenen Gang (offene Halle), der in der Regel von einem Pultdach überspannt war – quasi eine mit Säulen gestützte Veranda. Die von außen mit einer oder mehreren Treppen zugängliche Portikus führte zum Hauptportal des Herrenhauses und zu den Eingängen der Eckrisaliten. Bei flügelartig gestalteten Eckrisaliten konnte auch an deren Längs- und Breitseiten ein Säulengang angebaut sein (vgl. villa rustica Wachenheim). Eine Portikus konnte unterkellert sein und hatte neben der Funktion als Wetterschutz  wahrscheinlich in erster Linie eine repräsentative Funktion.

Zentralbau 

Durch das Hauptportal an der Portikusrückwand betrat man den zentralen Bereich des Herrenhauses (Kernbereich). Dabei konnte es sich um einen Hof (offen oder teilüberdacht), eine Halle oder einen großen Raum mit kleinen, seitlich angeordneten Einzelräumen handeln. Die Frage, ob der Kernbereich mit einer aufwendigen Dachstuhlkonstruktion überdacht war oder als Innenhof genutzt wurde, lässt sich nur schwer eindeutig beantworten. Sind statische Elemente, wie zum Beispiel Stützpfeiler und entsprechende massive Fundamente, nicht nachweisbar, kann man davon ausgehen, dass insbesondere „große“ Kernbereiche mit übergroßen Spannweiten nicht überdacht waren. Im Rekonstruktionsversuch wird exemplarisch von einem überdachten, zweigeschossigen Zentralbau mit rückwärtigen und seitlichen, einstöckigen Anbauten (mit Pultdach) ausgegangen.

 

Zentralbau mit Anbauten

Der größte Raum war die Eingangshalle und ist als Repräsentationsraum anzusehen. Daran schlossen sich weitere Räume mit unterschiedlichen Funktionen an: Eine Küche, ein Speiseraum (oecus), Arbeits- und Wirtschaftsräume und verschiedene Wohn- und Schlafräume. Große Herrenhäuser konnten auch Räume für Sommer- und Winternutzung aufweisen. Auch ein Badetrakt im Hauptgebäude war nicht unüblich (In der Rekonstruktion durch die beiden ungleich großen Apsiden gekennzeichnet). Entsprechend den finanziellen Möglichkeiten wurden einzelne Räume mit, Wandmalereien, Glasfenster und Mosaiken ausgestattet. Für die Erwärmung der Räume nutzte man außer dem Herdfeuer und dem Backofen hauptsächlich Holzkohlebecken. Da diese Häuser über keine Kamine verfügten, war die Rauchgasbelastung in diesen Räumen zwangsläufig sehr groß. Deshalb wurde in wohlhabenden Häusern mindestens ein Raum mit einer Fußboden- und Wandheizung ausgestattet.

Obergeschoss

Fehlen eindeutige Belege, kann über die Geschossanzahl des Zentralbaus nur spekuliert werden. Bei großen Herrenhäusern mit entsprechenden Fundamenten, kann aber von einer mehrstöckigen Konstruktion ausgegangen werden. Vorstellbar ist die Nutzung als zusätzlicher Wohnraum – insbesondere der südliche Bereich – und/oder als Lager- und Trockenraum.

Badetrakt und Latrine

Eine Badeanlage (Thermen) ist häufig nachweisbar, war aber nicht zwangsläufig Bestandteil einer villa rustica, und konnte im Herrenhaus integriert oder auch in einem separaten Gebäude untergebracht gewesen sein.
In der Rekonstruktion besteht die beheizte Badeanlage aus einem Aus- und Ankleideraum (apodyterium), einem Heißbad (caldarium) mit Heißwasserbecken, einem Kaltbad (frigidarium) und einem Kaltwasserbecken (piscina), sowie einem Warmwasserbecken (tepidarium), beide jeweils in einer halbrunden Nische (Apsis). Das verbrauchte Badewasser konnte über einen gemauerten Kanal abgeführt werden und diente als Wasserspülung für die angebaute Latrine, bevor es in ein naheliegendes Fließgewässer entsorgt wurde. Eine gemauerte Latrine – mit oder ohne Anbindung an einen Badebereich – gehörte aber nicht generell zur Ausstattung einer villa rustica im ländlichen Bereich. Archäologisch lassen sie sich nur im Einzelfall (villa rustica Wachenheim) nachweisen. Die häufigste Variante dürfte wohl ein kleiner Holzbau mit Anbindung an eine Senkgrube gewesen sein.

Fußboden- und Wandheizung

Einzelne Räume konnten mit einer Fußbodenheizung  ausgestattet gewesen sein. Insbesondere die Badeanlagen weisen neben einer Fußbodenheizung auch eine Wandheizung auf. Die Beheizung mit Holz oder Holzkohle erfolgte in einem Feuerungsraum (Praefurnium), der sich an der Außenseite des Gebäudes oder auch im Innenbereich des Hauses befunden hat. Als Fußbodenheizungen kamen zwei unterschiedliche Prinzipien zur Anwendung: Die Hypokaustheizung und die Kanalheizung.

Eine Hypokaustheizung  bestand aus einem Heizraum (hypocaustum), durch den die Feuerungsgase und die heiße Luft zwischen dem unteren Boden (solum) und den von kleinen Ziegelpfeilern getragenen Fußboden durchgeleitet wurden. Die Ziegelpfeiler/Hypokaustenpfeiler (pilae) waren mit kleinen runden oder quadratischen (Kantenlänge ca. 20 cm) Ziegelplatten (laterculi) aufgebaut (ca. 50 – 100 cm hoch) und mit einer größeren Platte belegt. Darauf lagen große Tragplatten, sogenannte Suspensuraplatten (Ziegel o. Naturstein), auf denen ein Ziegel-Kalk-Estrichboden aufgebracht war.

Für die Wandheizung waren die Seitenwände teilweise mit Hohlziegeln (tubuli) bzw. Tonröhren verkleidet und mit der Bodenkammer verbunden. Durch dieses Hohlsystem strömten die Rauchgase an den Seitenwänden der Räume nach oben, ehe sie durch Öffnungen unter dem Dach ins Freie abzogen.

Die Kanalheizung war die einfache Variante einer Fußbodenheizung. Dabei wurden die heißen Rauchgase aus dem Feuerungsraum durch einen Kanal - häufig Y-förmig – unter dem Fußboden durchgeführt. Der Heizkanal war mit Platten abgedeckt und mit einem Estrichboden versiegelt. Als Rauchabzüge und zusätzliche Wandheizung dienten verputzte Tonröhren in den Raumecken, mit denen die Rauchgase nach oben abgeleitet wurden.

Bedachung

Im Rekonstruktionsversuch besteht die Dachkonstruktion der Anbauten aus einem Pultdach und die des Kernbaus aus einem Walmdach (vereinfachte Darstellung der Dachstuhlkonstruktion). Die Dächer waren häufig mit aus Lehm gebrannten Leistenziegeln  (tegulae) und Firstziegeln (imbrices) gedeckt. Es kamen aber auch organische Materialien (Stroh und Holzschindeln) zum Einsatz.

 

Literatur:

Bernhard, Helmut: Fundkarte zur Römerzeit,  in: Alter, Willi: Pfalzatlas, Textband 2, Speyer1971, S. 1169ff.

Kolb, Peter: Die Römer bei uns. Juniorkatalog und Sachbuch zur Landesausstellung 2000 in Rosenheim, Unterschleißheim 2000.

Weiterführende Links

Römische Siedlungsspuren in der Pfalz

Luftbilder – Luftbildinterpretationen - Rekonstruktionen - Prospektionen

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P08488 - Villa rustica

Geoelektrische Prospektion

16. und 18. März 2009

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P08488 - Villa rustica - Hauptgebäude

Rekonstruktionsversuch

Stand: 2011

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archaeoflug 2007


www.archaeoflug.de