Luftbildarchäologie in der Pfalz

- Nur Text, ohne Abbildungen -

 

Abstract

Aerial archaeology is an indispensable and variously applicable method of archaeological prospection, which in spite of new remote sensing systems has not lost its importance for cultural heritage preservation.
One focus is the search for unknown, buried archaeological sites, which are endangered by an intensive agriculture.
Every intervention in a Landscape leaves lasting traces which, under suitable conditions, can be seen from the air as "archaeological features". The largest amount of archaeological sites found are known as cropmarks. Recognising archaeological features from the air depends on many linked up factors, which require specially coordinated picture flights. Hence, aerial archeology can only reach full potential if it is continuously pursued. Success is decisively influenced by the skill of the aerial archaeologist. The use of this method was already recognised before the first World War in England and it was scientifically described by O.G.S. Crawford.
I. Scollar was the first to organize systematical aerial archaeological prospection in Germany in the sixties. First systematical aerial archaeological campaigns in the Palatine were flown by O. Braasch in 1982 and R.Gensheimer from 1989 till 1995.
After a seven-year interruption aerial archaeology was taken up again in 2003 by the honorary employees of the Direktion Landesarchäologie Speyer, U.Kiesow and M.Voselek, and intensified considerably within the last few years.

 

Zusammenfassung:

Luftbildarchäologie ist eine unverzichtbare und vielfältig einsetzbare archäologische Prospektionsmethode, die ihre Bedeutung für die Denkmalpflege, auch angesichts neuer Fernerkundungssysteme, nicht verloren hat. Ein Schwerpunkt ist die Suche nach unsichtbaren Bodendenkmälern, die u.a. durch eine intensive Landwirtschaft in ihrem Bestand gefährdet sind. Jeder Eingriff in eine Landschaft hinterlässt dauerhafte Spuren, die aus der Luft bei geeigneten Bedingungen als „Merkmale“ zu erkennen sind. Die zahlenmäßig größte Menge an luftbildarchäologischen Fundstellen wird durch Bewuchsmerkmale erfasst. Das Erkennen von Merkmalen aus der Luft ist von vielen vernetzten Faktoren abhängig, die darauf abgestimmte Bildflüge erfordern. Luftbildarchäologie kann daher nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn sie kontinuierlich betrieben wird. Der Erfolg wird entscheidend durch die Kompetenz der Luftbildarchäologen beeinflusst. Der Nutzen dieser Methode wurde schon vor dem 1. Weltkrieg erkannt und in England von O.G.S. Crawford wissenschaftlich beschrieben. I. Scollar führte in den 60er Jahren die ersten systematischen archäologischen Luftbildprospektionen in Deutschland durch. In der Pfalz wurden in den Jahren 1982 durch O. Braasch und 1989-1995 durch R. Gensheimer die ersten systematischen Befliegungen durchgeführt. Nach einem siebenjährigen Stillstand wurde die Luftbildarchäologie hier erfreulicherweise ab 2003 durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Direktion Landesarchäologie-Speyer, U. Kiesow und M. Voselek, wieder aufgenommen und in den letzten Jahren erheblich intensiviert.

 

 

Die „Luftbildarchäologie in der Pfalz“ blickt auf eine über 50jährige wechselvolle Geschichte zurück, die sich von ihren Anfängen in den 60er Jahren bis zu ihrer heutigen Bedeutung, den Aufgaben der Denkmalpflege folgend, ständig weiterentwickelt hat.

Zu den Aufgaben des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz gehört es u.a., „Kulturdenkmäler systematisch aufzunehmen und wissenschaftlich auszuwerten“ sowie „nach verborgenen Kulturdenkmälern zu forschen“. (Denkmalschutzgesetz Rheinland-Pfalz, § 25, Absatz 1) In der praktischen Umsetzung bedienen sich die Denkmalfachbehörden dazu unterschiedlicher Methoden. Darunter ist die Luftbildarchäologie eine der effektivsten und aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ein unverzichtbares Instrument der Bodendenkmalpflege. Das große Potenzial der Luftbildarchäologie lässt sich aber nur dann ausschöpfen, wenn sie dauerhaft verfügbar ist und kontinuierlich und systematisch betrieben werden kann. Ein Wunsch, der sich schon aus finanziellen Gründen nur in Einzelfällen realisieren lässt.

Unter „Luft-Bild-Archäologie“ versteht man eine archäologische Prospektionsmethode, mit der man aus der Luft (1) geeignete Landflächen planmäßig nach verborgenen Spuren anthropogener Erdeingriffe (z. B. Siedlungs- und Gräberspuren, Erdwerke) absucht, fotografisch dokumentiert und wissenschaftlich auswertet, ohne störend in den Boden einzugreifen. Mit dieser Erkundungsmethode lassen sich Zusammenhänge erschließen und ganzheitlich Strukturen gewinnen, die vom Boden aus unsichtbar bleiben. Darüber hinaus dient sie der Zustandsdokumentation bekannter, auch oberirdisch erhaltener Kulturdenkmäler, der Vorbereitung wissenschaftlicher Ausgrabungen und der Grabungsdokumentation. Die Anwendung der Luftbildarchäologie stößt insbesondere bei der flächendeckenden Landschaftserfassung an ihre Grenzen. Wald- und Weinanbauflächen, die ca. 40% der Gesamtfläche der Pfalz ausmachen, können mit dieser Methode archäologisch nicht erfasst werden, wodurch sich ihre Anwendbarkeit erheblich reduziert. Als Alternative zur konventionellen Luftbildarchäologie steht seit einiger Zeit die sogenannte LIDAR-Technik (Light Detection And Ranging) zur Verfügung. Dabei handelt es sich um fluggestützte, hochauflösende Laserscanner, die unabhängig von der Vegetation große Gebiete abtasten können. Mit den gewonnen Daten lassen sich dreidimensionale, zentimetergenaue Modelle der Landschaft erstellen - einschließlich aller geometrischen Strukturen, die auf obertägige Bauwerke hinweisen (Becker 2012). Neue Fernerkundungssysteme wie die LIDAR-Methode erweitern das archäologische Methodenspektrum und ergänzen die konventionelle Luftbildarchäologie bei ihren Schwachpunkten in bewuchsungünstigen Arealen (Abb. 1) - zu ersetzen ist die Luftbildprospektion dadurch aber nicht (2).

Jedoch für Befunde im Laubmischwald, wie z.B. die große keltische Oppidum-Anlage auf dem Donnersberg in der Nordpfalz, ist LIDAR die einzige Möglichkeit, ein genaues Abbild der Oberfläche des gesamten, von 8,5 km als Versturzwall erhaltener Mauer umgebenen Stadtareals zu erhalten.

Mit „Luftbild-Archäologie“verbindet man häufig nur das „Fotografieren“ von archäologischen Fundstellen aus der Luft. Entgegen dieser laienhaften Vorstellung ist Luftbildarchäologie in der Anwendung eine sehr anspruchsvolle Prospektionsmethode, die hohe Anforderungen an die Ausführenden stellt. Neben der Verantwortung für das Fluggerät, sind die systematischen Bildflüge akribisch zu planen und durchzuführen. Die gewonnen Luftbildbefunde werden anschließend am Boden analysiert und interpretiert, sowie nach weiteren relevanten Strukturen untersucht. Nach der Dokumentation der Befunde müssen die Flugkarten aktualisiert und die Luftbilder archiviert werden. Zur endgültigen Beurteilung und Einschätzung der auf den Luftbildern dokumentierten Befunden gehört selbstverständlich auch die Diskussion der Objekte mit den zuständigen Archäologen. Eine der wichtigsten Kompetenzen wird aber in der Luft abverlangt, um aus der Fülle der sichtbaren komplexen Strukturen einer Landschaft diejenigen herauszufiltern, die von archäologischem Interesse sind, und exakt diese fotografisch festzuhalten.

Die Möglichkeit, Kulturdenkmäler aus der Luft zu entdecken, beruht im Wesentlichen darauf, dass jeder menschliche Eingriff in eine Landschaft ihre Spuren hinterlässt, die bei günstigen Bedingungen noch über Jahrhunderte oder Jahrtausende erhalten bleiben können. Auf dem Gebiet der heutigen Pfalz, die schon seit dem frühen Neolithikum ein begehrter Siedlungsraum war, haben sich trotz massiver Landschaftsveränderungen einige oberirdische Bodendenkmäler, z.B. die spätkeltischen Wallanlagen auf dem Donnersberg oder die vielen mittelalterlichen Burgruinen, als sichtbare Belege bis in unsere Zeit erhalten. Sie sind aber als „archäologische Plätze“ kein direkter Arbeitsschwerpunkt der Luftbildarchäologie.

Der weitaus größere Teil der archäologischen und landeskundlichen Zeugnisse wurde im Laufe der Jahrhunderte zerstört, überbaut oder ist durch Erosion und landwirtschaftliche Nutzung nur noch rudimentär erhalten – meist aber bis auf das Niveau der Umgebung eingeebnet oder aufgefüllt. Diese Bodendenkmäler, die als solche für den Betrachter am Erdboden praktisch unsichtbar sind, können von den Facharchäologen mit konventionellen Methoden in aller Regel nicht erkannt werden. Die Gefahr, dass diese Bodendenkmäler auch unbemerkt verschwinden, ist immer gegeben. Zufällige Lesefunde von Kundigen können Hinweise liefern - häufig sind es aber erst zerstörende Eingriffe in das Bodendenkmal, die zu seiner Entdeckung führen.

Ein frühzeitiges Erkennen von Bodendenkmälern stellt daher ein äußerst wichtiges Faktum dar. Hierzu ist ein Perspektivenwechsel notwendig. Ober- und unterirdische Relikte wie auch moderne Bodeneingriffe und geologische Strukturen verursachen „Störungen“ der natürlich gewachsenen Kulturlandschaft, die sich aus der Luft als sogenannte „Merkmale (3)" zu erkennen geben.

Oberirdisch noch sichtbare Denkmäler, wie Hügel, Wälle, Gruben oder Gräben können durch Schatten- und Schneemerkmale aus der Luft erfasst werden. Bodenmerkmale, Feuchtigkeits- und Bewuchsmerkmale dienen dagegen als Signaturen für unterirdische, nicht in der Geländetopografie erkennbare Relikte.

Erfahrungsgemäß wird die zahlenmäßig größte Menge an luftbildarchäologischen Fundstellen durch Bewuchsmerkmale erfasst (Leidorf 1999, 42). Dabei macht man sich die Unterschiede im Wachstum der Pflanzen, als Reaktion auf eine Bodenstörung, zu Nutze. Als wesentliche Indikatoren gelten alle Getreidesorten, die sehr empfindlich auf den Untergrund, in dem die Wurzeln Nahrung aufnehmen, reagieren. Wächst Getreide über Mauerresten oder Steinrollierungen ehemaliger Fundamente, so ist der Nährstoffgehalt des Bodens geringer und Wasser fließt schneller durch die Steinlücken nach unten ab. Die Getreidehalme wachsen daher nicht so hoch wie im umgebenden natürlich gewachsenen Boden, und die Ähren reifen früher. Dieser eingeschränkte Bewuchs ist als sogenanntes „negatives Bewuchsmerkmal“ aus der Luft feststellbar.

In der Pfalz gibt es zahlreiche kleine und größere römische Landgüter, bei denen sich die Gebäudegrundrisse und Umfassungsmauern aufgrund der noch im Boden vorhandenen Fundamentreste oft hervorragend als „negatives Bewuchsmerkmal“ abzeichnen. Abb. 2 zeigt als Beispiel das Hauptgebäude einer villa rustica bei Morschheim. Die sichtbaren Strukturen im Getreidefeld sind so detailgenau, dass die Raumteilung und einzelne Pfostenfundamente zu erkennen sind.

Im Gegensatz dazu finden die Getreidepflanzen in verfüllten Siedlungs- oder Grabgruben sowie Gräben mehr humoses, gut durchlüftetes Erdmaterial vor. Dieser Umstand führt dazu, dass die Halme länger werden und ein intensiveres Grün aufweisen als in der Umgebung. Die Gruben und Gräben zeichnen sich dann im Luftbild als „positives Bewuchsmerkmal“ ab.

Ein eindrucksvolles Beispiel sind die charakteristischen Hausgrundrisse der frühneolithischen Kultur der Linienbandkeramiker einer 2008 entdeckten Siedlung bei Hassloch (Abb. 3). Neben etlichen Siedlungsgruben sind deutlich die typischen U-förmigen nordwestlich orientierten Wandgräbchen, die hausbegleitenden Längsgruben und einige Dreierpfostenriegel der Dachstützkonstruktion im Getreidefeld - noch nach ca. 7000 Jahren - im Luftbild als Bewuchsmerkmal zu erkennen. Einen Großteil der Luftbildbefunde in der Pfalz machen Kreisgräben unterschiedlicher Epochen aus, die meist um Grabhügel herum eingetieft waren und, heute verfüllt, ringförmige „positive Bewuchsmerkmale“ ausbilden (Abb. 4).

Gegenüber Getreide, das durch den dichten Pflanzabstand sehr detaillierte, punktgenaue Informationen über die darunter liegenden Strukturen geben kann, sind die Bewuchsmerkmale bei Mais, Rüben, Kartoffeln und Raps wegen des größeren Pflanzabstands (Dreßler 2008, 70) grob und ungenau - und doch lassen sich auch hier hervorragende Ergebnisse erzielen, wie die Befunde in einem Maisfeld bei Limburgerhof belegen.

Auch wenn auf den Feldern kein Bewuchs vorhanden ist, lassen sich unter besonderen Bedingungen auf einer Ackerfläche Merkmale erkennen, die auf menschliche Aktivitäten hinweisen können. Es handelt sich dabei um sogenannte Bodenmerkmale, die sich durch flächige, bandförmige Farbunterschiede von dem umgebenden Boden dunkler oder auch heller abzeichnen. Sie können insbesondere auf frisch gepflügten Böden beobachtet werden, wenn der Pflug verfüllte Gruben oder Gräben tief greifend stört und das Füllmaterial an die Oberfläche befördert. Der farbliche Kontrast kann durch Feuchtigkeit verstärkt werden, da das verfüllte Material der Gruben und Gräben eine andere hydrologische Eigenschaft aufweist und daher anders reagiert (Abb. 5). Bei Frost und Schnee können darüber hinaus die Unterschiede in der thermischen Speicherfähigkeit zu der Bildung von Frost- bzw. Schneemerkmalen führen.

Die Ergebnisse der Luftbildarchäologie begegnen uns in der Öffentlichkeit hauptsächlich in Form von beeindruckenden Luftbildern archäologischer Zeugnisse menschlicher Aktivitäten. Sie faszinieren durch ihre teilweise atemberaubende Detailgenauigkeit, die den Eindruck vermittelt, sie seien immer noch real auf der Erdoberfläche vorhanden. Vergangenheit wird gegenwärtig, die für den Beobachter am Boden unsichtbar und verborgen bleibt. Zugleich können sie, einem Kunstwerk gleich, außergewöhnlich ästhetisch sein, wobei dann sogar die archäologische Information in den Hintergrund rückt. Es sind Highlights, bei denen der Luftbildarchäologe zur rechten Zeit am richtigen Ort war. Im Allgemeinen sind die Aufnahmen weniger spektakulär, obwohl sie bedeutende Befunde beinhalten können.

Ob und in welcher Deutlichkeit eine Landschaft ihre unterirdischen archäologischen Geheimnisse preisgibt, hängt von verschiedenen vernetzten Faktoren ab, die maßgeblich das Ergebnis einer Luftbildprospektion beeinflussen. Dazu zählen: Bewuchsart, Vegetationszustand, Bodenqualität und Bodenbearbeitung, Sonnenstand, Jahres- und Tageszeit, Wetterlage, Feuchtigkeit, Niederschlagsgeschichte und die Flughöhe der Luftbildarchäologen.

Die Erkennbarkeit archäologischer Signaturen ist daher oft von nur kurzer Dauer, auf wenige Tage im Jahre beschränkt oder nur für Stunden zu sehen. Das einmalige Befliegen eines Gebietes reicht nicht aus, um einen vorhandenen Denkmalbestand zu dokumentieren. Archäologische Prospektionsflüge müssen deshalb kontinuierlich, zu verschiedenen Jahreszeiten und unter wechselnden Bedingungen durchgeführt werden. Häufig vergehen Jahre, mit unzähligen Flügen, bis aus einem Anfangsverdacht ein aussagekräftiger Befund wird. Glück, Zufall und Geduld spielen in der Luftbildarchäologie eine nicht zu unterschätzende Rolle – in erster Linie sind es aber die Fachkompetenz und die in der Praxis erworbenen Erfahrungen des Luftbildarchäologen, die zum Auffinden neuer Bodendenkmäler führen.

Die Luftbildarchäologie hat in Europa eine lange Tradition. Bereits während des Ersten Weltkrieges wurden Luftbilder nicht nur zu militärischen Zwecken genutzt, sondern auch als Hilfsmittel der archäologischen Forschung erkannt und angewendet. Bedeutsam in dieser Frühphase war der deutsche Archäologe Th. Wiegand der erkannte, dass Luftbilder wichtig für die Erfassung antiker Stätten sein können. Er beauftragte deshalb Militärpiloten bei ihren Luftaufklärungsflügen, archäologische Bauwerke zu fotografieren. Die in dieser Zeit entstandenen „Luftbilddokumentationen“, u.a. aus Palästina, Ägypten, Syrien, Sinai, Türkei, gelten heute als wertvolle Quellen für die Archäologie (Trümpler 2003, 12ff), da viele der erfassten antiken Stätten in dieser Form nicht mehr existieren.

Ausschlaggebend für die Entwicklung der systematischen Luftbildarchäologie waren zwischen 1920 und 1930 aber die Aktivitäten von O. G. S. Crawford in England, der als Begründer der wissenschaftlichen Luftbildarchäologie gilt. Er erkannte erstmals den Nutzen von Schattenwirkungen, Bodenverfärbungen und Bewuchsmerkmalen zur Erfassung und Interpretation unterirdischer Bauspuren und setzte seine Erfahrungen zu einer systematischen Methode um (von Berg 1994, 11).

Ausgangspunkt für den Beginn der modernen Luftbildarchäologie und Luftbildforschung nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland waren die „Pariser Verträge“ von 1955, die das Besatzungsstatut in Westdeutschland beendeten. Die junge Bundesrepublik Deutschland wurde, wenn auch eingeschränkt, souverän und erhielt damit auch die Lufthoheit über das Land.
Während des Baubooms der 50er bis frühen 70er Jahre standen für die Denkmalpflege aber vorerst wichtigere Aufgaben und Herausforderungen (4) im Vordergrund. Es dauerte daher noch viele Jahre, bis die Luftbildarchäologie an Bedeutung gewann und sich als selbstverständliche Komponente einer archäologischen Denkmalpflege etablieren konnte.

Als wegweisend für die zukünftige Entwicklung und Nutzbarmachung der Luftbildarchäologie erwiesen sich insbesondere die Archäologen H. v. Petrikovits, I. Scollar und W. Sölter vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn. Scollar führte bereits in den 1960er Jahren im Rheinland die ersten planmäßigen systematischen Befliegungen zur Gewinnung von archäologischen Luftbildern in Deutschland durch und stellte zudem auch Überlegungen an, die gewonnenen Erkenntnisse fest in den Alltag der Bodendenkmalpflege zu integrieren (Frank 1999).

In der Pfalz kam die Luftbildarchäologie dagegen nur langsam in Gang. Am Anfang stand die Neuorganisation der Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz durch die Einrichtung der vier Landesdienste für Vor- und Frühgeschichte von 1956. Zuständig für die Pfalz wurde der Landesdienst in Speyer unter der Leitung von Kw. Kaiser (Bernhard 2001, 9). Aus seiner Amtszeit (1957- 1976) sind 12 Luftbilder im PGIS aufgenommen. Dabei handelt es sich vorwiegend um Aufnahmen von oberirdisch sichtbaren archäologischen Plätzen, wie dem Kloster Limburg, dem Kriemhildenstuhl oder der Burg Drachenfels bei Busenberg. Die Fotografen sind bis auf O. Hauck und R. Gensheimer unbekannt.

Neuer Hauptkonservator wurde am 1. November 1976 der Vorgeschichtler H-J. Engels. Knapp vier Monate später, im Februar 1977, wurde H. Bernhard, seines Zeichens Spezialist vor allem für die Römerzeit, als sein Stellvertreter berufen (Bernhard 2001, 12). Im Jahr 1982 konnten dann die ersten archäologischen Prospektionsflüge auf dem Gebiet der Nord-, Vorder- und Südpfalz organisiert und durchgeführt werden.

Im digitalen Fundkataster der Pfalz (PGIS) sind 96 Luftbilder aus diesem Jahr registriert, die teils von R. Gensheimer, in überwiegender Mehrzahl aber von O. Braasch erstellt wurden. Sie legten mit ihren Aufnahmen den Grundstock für das Luftbildarchiv in Speyer. Für die Jahre 1983-1988 sind dagegen nur wenige luftbildarchäologische Aktivitäten festgehalten. Lediglich 38 neue Luftbildbefunde finden sich in Speyer aus diesem Zeitraum. Ab 1989 ist dann mit den Prospektionsflügen von Gensheimer eine deutliche Intensivierung der luftbildarchäologischen Aktivitäten zu beobachten. Bis 1995 führte er systematisch Befliegungen auf dem Gebiet der Pfalz durch, die den Luftbildbestand um 811 Aufnahmen erweiterten. Nach den erfolgreichen Jahren (1989-1995) kam die Luftbildarchäologie in der Pfalz zwischen 1996 und 2002 faktisch für sieben Jahre zum Stillstand. Nur sechs Luftbilder wurden in dem genannten Zeitraum eingereicht.

Ein wichtiger Grund für diese Lücke in der Luftbildprospektion der Pfalz liegt natürlich in dem Ausscheiden von R. Gensheimer aus dem aktiven Flugbetrieb. Damit war der pfälzischen Archäologie ihr wichtigster Partner im Bereich dieser Prospektionsart verloren gegangen. Da die finanzielle Ausstattung der Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz in keiner Weise für den Einsatz professioneller Luftbildflieger, die dann auch dementsprechend bezahlt werden müssten, ausreichte (Zeeb-Lanz 2003, 14) und auch heute noch nicht ausreicht, war vorerst ein völliger Verzicht auf Luftbilderkundungen in Kauf zu nehmen.

In der Amtszeit von H. Bernhard, der am 31.08.2000 zum neuen Amtsleiter bestellt wurde, konnte ab 2003 die kontinuierliche Luftbildprospektion, diesmal mit Hilfe von ehrenamtlichen Luftbildarchäologen, wieder aufgenommen werden. Seit diesem Zeitpunkt werden die Landesteile der Pfalz durch U. Kiesow und M. Voselek von „archaeoflug (5)" wieder systematisch unter archäologischen Gesichtspunkten beflogen.
In den Anfangsjahren 2003 bis 2005 wurden ausschließlich in der Westpfalz Prospektionsflüge durchgeführt. Seit 2006 werden Teile der Nordpfalz, die Südpfalz und
schwerpunktmäßig die Vorderpfalz kontinuierlich luftbildarchäologisch prospektiert. Bis 2011 konnten dadurch über 600 Luftbildbefunde, darunter eine nicht unerhebliche Anzahl von bisher unbekannten archäologischen Fundstellen, registriert werden.

U. Kiesow und M. Voselek sind nach O. Braasch und R. Gensheimer die Luftbildarchäologen der dritten Generation, die seit nunmehr 11 Jahren, in enger Absprache und mit wissenschaftlicher Begleitung durch die Speyerer Archäologin A. Zeeb-Lanz, als integraler Bestandteil der GDKE Speyer den praktischen Teil der Luftbildarchäologie ehrenamtlich abdecken. Dazu gehören in erster Linie die systematische Suche nach neuen Bodendenkmälern und die Verortung der beobachteten Objekte, sowie die kontinuierliche Zustandsdokumentation schon bekannter Kulturdenkmäler. Wenn möglich, werden auch einzelne Luftbildbefunde am Boden durch eine Feldbegehung evaluiert. Als Fluggerät bedienen sich die ehrenamtlichen Luftbildarchäologen eines gewichtskraftgesteuerten Ultraleichtflugzeugs. Das sogenannte Trike erlaubt eine langsame Befliegung der Objekte und bietet aufgrund der fast barrierefreien Sicht aus der offenen Flugkanzel geradezu ideale Bedingungen für die Luftbildprospektion.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Begleitung von Ausgrabungen durch die Erstellung von Übersichtsbildern und Senkrechtaufnahmen aus großer Höhe zur Ergänzung der Dokumentation der Grabungsergebnissen am Boden. Werden spezielle Hochbild- oder bodennahe Luftbilder benötigt, wird additiv mit ferngesteuerten Koptersystemen (6) gearbeitet – wie aktuell bei den Ausgrabungen in Kleinfischlingen (7) und Insheim (8) in der Südpfalz. Neben diesen typischen Einsatzgebieten der Luftbildarchäologie beschäftigt sich U. Kiesow schon seit vielen Jahren intensiv mit der fluggestützten Thermografie (9) als Ergänzung zur konventionellen Luftbildprospektion, die in Einzelfällen schon zu beeindruckenden Ergebnissen geführt hat (10). Ab 2013 wird die Luftbildprospektion ihren Fokus wieder auf die Westpfalz richten, um auch hier noch eine Reihe von Lücken in der Siedlungsgeschichte der Pfalz zu schließen.

Dem ehrenamtlichen Engagement, der verantwortungsvollen Amtsführung der GDKE Speyer durch Prof. Dr. Bernhard und dem persönlichen Einsatz vieler Mitarbeiter, insbesonders von Frau Dr. Zeeb-Lanz ist es zu verdanken, dass sich seit 2003 in der Pfalz wieder eine kontinuierliche Luftbildarchäologie etablieren konnte. Die Erfolge der vergangenen Jahre unterstreichen nicht nur den Nutzen dieser Prospektionsmethode für die Denkmalpflege und archäologische Forschung, sondern verweisen auch exemplarisch auf die Bedeutung von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sich häufig mit großem persönlichen und finanziellen Einsatz zum Vorteil der Denkmalpflege einbringen. Die kontinuierliche Luftbildarchäologie in der Pfalz hat sich in dieser Form bewährt. Sie wird auch in Zukunft als fester Bestandteil der Denkmalpflege in Speyer, zum Schutz unserer gemeinsamen reichen pfälzischen Vergangenheit, ihren Teil beitragen.

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Archaeoflug: archaeoflug.de. URL: http://www.archaeoflug.de/ (Stand 30.09.2012).

Becker, Markus: Luftbild-Archäologie. Fliegender Laser verrät verschüttete Bauten. In: SPIEGEL ONLINE WISSENSCHAFT. URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/laser-technik-lidar-revolutioniert-luftbild-archaeologie-a-845772.html (Stand: 30.09.2012).

Berg, Axel von: Archäologie im Luftbild an Mittelrhein und Mosel. Archäologie an Mittelrhein und Mosel, Band 9. Koblenz 1994.

Bernhard, Helmut: Zur Archäologischen Denkmalpflege in der Pfalz. Die Entwicklung des Amtes Speyer. In: Bernhard, Helmut (Hrsg.): Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht 2000. Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz. Archäologische Denkmalpflege Amt Speyer. Speyer 2001.

Bohr, Karin: Entstehung des Denkmalschutz- und -pflegegesetzes in Rheinland-Pfalz, in: Skriptum 2 (2012), Nr. 1, URN: urn:nbn:de:0289-2012050352, Abs. 6 u. 7 (Stand: 30.09.2012).

Denkmalpflege Baden-Würtemberg online: Die Luftbildarchäologie in Baden-Württemberg. Ergänzung der Luftbildarchäologie durch neue Technologien. URL: http://www.denkmalpflege-bw.de/index.php?id=685 (Stand: 30.09.2012).

Denkmalschutzgesetz Rheinland-Pfalz. In: www.rlp.juris.de, URL: http://rlp.juris.de/rlp/DSchPflG_RP_rahmen.htm (Stand 30.09.2012).

Dreßler, Johanna: Über das Anfertigen archäologischer Luftbilder. In: Archäologie in Rheinhessen und Umgebung e.V. (Hrsg.). Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung. Heft 1/2008. Mainz 2008.

Generaldirektion Kulturelles Erbe. Landesarchäologie Außenstelle Speyer: Fränkisches Gräberfeld Insheim (Kr. Südliche Weinstraße). In: archaeologie-speyer.de, URL: http://archaeologie-speyer.gdke.webseiten.cc/gdke/startarchaeologiespeyer/landesarchaeologie-aussenstelle-speyer/aktuelles/einzelansicht/archive/2012/july/article/fraenkisches-graeberfeld-insheim-kr-suedliche-weinstrasse/ (Stand 30.09.2012).

Generaldirektion Kulturelles Erbe. Landesarchäologie Außenstelle Speyer: Kelten und Merowinger in Kleinfischlingen. In: archaeologie-speyer.de, URL: http://archaeologie-speyer.gdke.webseiten.cc/gdke/startarchaeologiespeyer/landesarchaeologie-aussenstelle-speyer/aktuelles/einzelansicht/archive/2012/july/article/kelten-und-merowinger-in-kleinfischlingen/ (Stand 30.09.2012).

Landesamt für archäologische Denkmalpflege Sachsen-Anhalt. Landesamt für Vorgeschichte: Luftbildarchäologie in Sachsen-Anhalt. Begleitband zur Sonderausstellung vom 15.02.1997 bis 31.12.1997. Fröhlich, Siegfried (Hrsg.). Halle (Saale) 1997.

Leidorf, Klaus: Luftbildarchäologie – Geschichte und Methode. In: Petzet, Michael (Hrsg.): Archäologische Prospektion. Luftbildarchäologie und Geophysik. Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. München 1999.

Siegmund, Frank: Laudatio zur Verleihung des 1. Deutschen Archäologiepreises der DGUF an Prof. Dr. Irwin Scollar und Dipl. Math. Irmela Herzog. DGUF-Tagung Konstanz, 13.-16. Mai 1999. In DGUF Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e.V. online. URL: http://www.dguf.de/fileadmin/user_upload/Archaeologiepreis/DGUF_Archaeologiepreis_Laudatio_1999.pdf (Stand 30.09.2012).

Trümpler, Charlotte (Hrsg.): Die Anfänge der Luftbildarchäologie und ihre Pioniere. In: Gerster, Georg: Flug in die Vergangenheit. Archäologische Stätten der Menschheit in Flugbildern. München 2003.

Zeeb-Lanz, Andrea: Zum Stand der Vorgeschichtsforschung in der Pfalz. In: Bernhard, Helmut (Hrsg.): Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht 2001. Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz. Archäologische Denkmalpflege Amt Speyer. Speyer 2003.

 

Anmerkungen

(1) Luftbilder können von jedem erhöhten Standort aufgenommen werden. In der Praxis werden mehrheitlich Flugzeuge, Ultraleichtflugzeuge und Satelliten genutzt. Bei Grabungen verwendet man zusätzlich lange Leitern und vermehrt auch Modellflugzeuge.

(2) Vgl. Denkmalpflege Baden-Würtemberg online: Die Luftbildarchäologie in Baden-Württemberg. Ergänzung der Luftbildarchäologie durch neue Technologien.

(3) Detaillierte Angaben zu Arten, Entstehung und Interpretation dieser Merkmale sind der Literatur zu entnehmen, z. B. Landesamt für archäologische Denkmalpflege Sachsen-Anhalt 1997, S. 15ff; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege 1996, S. 38ff.

(4) Für einen Überblick siehe Bohr, Karin: Entstehung des Denkmalschutz- und -pflegegesetzes in Rheinland-Pfalz. In: Skriptum 2 (2012), Nr. 1, Abs. 6 u. 7.

(5) Archaeoflug ist eine archäologische Interessengemeinschaft, die von U. Kiesow, R. Seidel und M. Voselek betrieben wird. Neben der Luftbildarchäologie bilden die geoelektrische Prospektion, die fluggestützte Thermografie und computergestützte Rekonstruktion weitere Arbeitsschwerpunkte.

(6) Archaeoflug verwendet ein gefesseltes Propellerschwebesystem (Archaeo-Opterix), speziell zur Erstellung von Hochbild- oder bodennahen Luftbildaufnahmen für die Dokumentation von archäologischen Grabungen und einen flexibel einsetzbaren ferngesteuerten Hexakopter (Archaeokopter), der zusätzlich auch für Luftbildprospektion geeignet ist. Vgl. Archaeoflug: Archaeokopter. In: archaeoflug.de, URL: http://www.archaeopro.de/Archaeopro/Archaeokopter/Archaeokopter.htm (Stand 30.09.2012).

(7)i Vgl. Generaldirektion Kulturelles Erbe. Landesarchäologie Außenstelle Speyer: Kelten und Merowinger in Kleinfischlingen. In: archaeologie-speyer.de, URL: http://archaeologie-speyer.gdke.webseiten.cc/gdke/startarchaeologiespeyer/landesarchaeologie-aussenstelle-speyer/aktuelles/einzelansicht/archive/2012/july/article/kelten-und-merowinger-in-kleinfischlingen/ (Stand 30.09.2012).

(8) Vgl. Generaldirektion Kulturelles Erbe. Landesarchäologie Außenstelle Speyer: Fränkisches Gräberfeld Insheim (Kr. Südliche Weinstraße). In: archaeologie-speyer.de, URL: http://archaeologie-speyer.gdke.webseiten.cc/gdke/startarchaeologiespeyer/landesarchaeologie-aussenstelle-speyer/aktuelles/einzelansicht/archive/2012/july/article/fraenkisches-graeberfeld-insheim-kr-suedliche-weinstrasse/ (Stand 30.09.2012).

(9) Bodendenkmäler erzeugen bei günstigen Bedingungen im darüber befindlichen Bewuchs
oder im bewuchslosem Boden thermische Abbilder ihrer Struktur. Mit der Wärmebildkamera dokumentiert, erlauben diese Merkmale zusätzlichen Informationsgewinn.

(10) Vgl. Archaeoflug: Thermografische Prospektion. In: archaeoflug.de, URL: http://www.archaeopro.de/Archaeopro/Thermografie/Thermo-%C3%BC1.htm (Stand 30.09.2012).

 

Quelle:

Der Text (mit Abbildungen) wurde zuerst veröffentlich in:
Seidel, R: Luftbildarchäologie in der Pfalz, in: Stupperich. R / Petrovszky. R. (Hrsg.) Mentor. Studien zu Metallarbeiten und Toreutik in der Antike. Band 5: Palatinus Illustrandus. Festschriftfür Helmut Bernhard zum 65 Geburtstag, Ruhpolding 2013, S. 19ff.

 

 
 

archaeoflug 2015

 

www.archaeoflug.de