P084786 - Notgrabung "Im Oberfeld" bei Rheingönheim

Bild 1:  "Im Oberfeld" bei Rheingönheim (Luftbild 16.05.2008)

Im Sommer 2008 führte die Speyerer Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Archäologie auf einem Gelände der Rheingönheimer Gemarkung "Im Oberfeld", auf dem der Mannheimer Hersteller von Straßenfertigern, die Vögele GmbH, sein neues Werk baut, eine Notgrabung durch. Der Grabung war eine geomagnetische Prospektion vorangegangen, die einige auffällige Bodenanomalien zutage brachte. Unter wissenschaftlicher Leitung der Archäologin Dr. Andrea Zeeb-Lanz, entschloss man sich daher in den entsprechenden Bereichen Sondagen vorzunehmen. Die Zeit dazu war knapp bemessen, denn der Baubeginn konnte wegen den Ausgrabungen leider nicht mehr verschoben werden. Um so erstaunter ist man, wenn man die archäologischen Befunde betrachtet, die man in dieser kurzen Zeit auf dem 44 Hektar großen Gelände gemacht hat. Dazu zählt ein großer keltischer Kreisgraben, der möglicherweise nicht Teil einer Grabanlage war, sondern zu kultischen Zwecken, vielleicht als Heiligtum, angelegt wurde. Nicht weit davon entfernt konnte ein Grabenstück eines wahrscheinlich römisches Marschlagers und ein weiterer Kreisgraben freigelegt werden. Zwei Skelettfunde, eines in Hockerstellung, Brandgräber und eine Reihe weiterer Funde unterstreichen die archäologische Bedeutung dieser Notgrabung für unsere Region.
Archaeoflug unterstütze das Grabungsteam mit Luft- und Bodenaufnahmen, die auch schon in den einzelnen Zeitungsartikeln der Rheinpfalz zu den Grabungserfolgen teilweise veröffentlich wurden. Der folgende Bericht, mit überwiegend unveröffentlichtem Bildmaterial, fasst die Ergebnisse der Notgrabung "Im Oberfeld" bei Rheingönheim  zusammen. (Stand: September 2008)

Bild 2: Ausgrabungsareal (Luftbild 11.08.2008)

Der große Kreisgraben - eine keltische Kultstelle?

Bild 3: Großer Kreisgraben - Übersicht (Luftbild 11.08.2008)

Der große Kreisgraben war der erste bedeutende Befund auf dem Grabungsgelände. Anfänglich ging man von einer eingeebneten Grabanlage aus, die ursprünglich aus einem hoch aufgeschütteten Erdhügel, mit einer zentralen Bestattung und einem umlaufenden Kreisgraben bestand (Hügelgrab). In der Mitte des Kreisgrabens wurden auch zwei Gruben gefunden (Bild 7), die sich aber bei genauerer Untersuchung nicht als Brandgräber herausstellten. Das Füllmaterial der Gruben war lediglich mit  "Rötel",  einem roten Mineralstoff, der schon in der Steinzeit zu rituellen Zwecken eingesetzt wurde, stark durchsetzt. Da im Zentralbereich der Kreisgrabenanlage keine Bestattungen nachweisbar waren, geht man davon aus, dass es sich um eine kreisförmige "Kultstelle" mit einer zentralen "Opferstelle?" gehandelt hat.  Als Eingang in die "Kultstelle" war der Kreisgraben südöstlich mit einer Erdbrücke unterbrochen.   Zu dieser Eingangssituation gehört wahrscheinlich auch ein Pfostenloch, das man in der Erdbrücke gefunden hat.  Unweit davon, direkt am Kreisgraben,  entdeckte man eine von vier Brandbestattungen (Bild 8).  

Bild 4.1: Großer Kreisgraben (Luftbild 24.08.2008)

Zur Zeit wird die Anlage als keltisches (hallstattzeitliches) Heiligtum angesprochen.

Bild 4.2: Großer Kreisgraben (Rekonstruktionsversuch)

Bild 5: Kreisgraben mit Grabenschnitt

Bild 6: Kreisgraben mit Grabenschnitt

Bild 7: Mitte des Kreisgrabens mit zwei Gruben

Bild 8: Unterbrochener Kreisgraben (Erdbrücke)

Wahrscheinlich in einem direkten Zusammenhang mit der Kreisgrabenanlage steht ein ca. 1,80 m breiter Grabenabschnitt, den man nordöstlich davon entdeckt hat (Bild 9 u. 10).  Über seine Funktion kann zur Zeit nur spekuliert werden. Möglicherweise  lässt sich der weitere Verlauf des Grabens aus den Ergebnissen der geomagnetischen Prospektion  rekonstruieren und daraus Hinweise auf seine Funktion ableiten.

Bildergalerie: Kreisgrabenanlage

Bild 9: Längliche Grube/Graben (Teilstück)

Bild 10: Grabenprofilschnitt

Bild 11: Großer Kreisgraben - Römische Kleinfunde und Körpergrab

Kreisgrabenanlagen wurden in der Regel im direkten Blickfeld einer Siedlung angelegt. Funde, die auf eine keltische Siedlung  hinweisen,  konnten aber auf dem Grabungsareal der Notgrabung  nicht gemacht werden.  Die Siedlung wird wohl auf den umliegenden Ackerflächen zu suchen sein.
Interessant ist, dass nicht nur die Kelten, sondern auch viele hundert Jahre später  die Römer an dieser Stelle ihre Spuren hinterlassen haben. In der Nähe des Kreisgrabens (Bild 11) fanden sich in einer Grube Tonscherben, Gürtelbeschläge, Fibeln und die Bronzeblechfragmente eines Ledergürtels (Bild 12). Warum diese Teile an dieser Stelle deponiert wurden ist unklar. Die Archäologen vermuten, dass Funde möglicherweise in Verbindung mit dem Skelett stehen, das in einigen Metern Entfernung gefunden wurde (Bild 11).

Bild 12: Römische Kleinfunde

Das Körpergrab am großen Kreisgraben

Bild 13: Körpergrab vor der Freilegung

Bild 14: Körpergrab - Freilegung des Skeletts

Bild 15: Körpergrab - Freilegung des Skeletts

Bild 16: Körpergrab - Skelett

Bild 17: Körpergrab - Skelett
In unmittelbarer Nähe der Kreisgrabenanlage (Bild 11) wurde ein beigabenloses Körpergrab entdeckt . Der/die Tote lag ausgestreckt auf dem Rücken, die Arme eng am Oberkörper, wobei die Hände seitlich am Oberschenkel lagen (Bild 17).  Es ist schon merkwürdig, dass bei dieser sorgfältigen Bestattung keine persönlichen Gegenstände und keine Grabbeigaben gefunden wurden. Ein Zusammenhang mit den römischen Funden (Bild 12), die man in einer nicht weit entfernten Grube (Bild 11) gemacht hat, sind aufgrund der gefundenen Teile vorstellbar (externe Deponierung?) aber nicht belegbar.

Das Skelett wurde nach der Freilegung in der Nacht von Grabräubern gestohlen.  Der Schädel war teilweise nur noch in Krümeln erhalten. Ob die verbliebenen Knochenreste zu einer zeitlichen Einordnung ausreichen ist zweifelhaft. Die Frage, ob hier ein "Römer" beigesetzt wurde, wird sich daher wohl nicht mehr beantworten lassen. Sicher scheint nur, dass die Bestattung  in einem noch unbekannten Zusammenhang mit dem Kreisgraben  steht. Möglicherweise lässt sich daraus auch ableiten, dass das Areal um den Kreisgraben über mehrer Epochen als "heiliger" Bereich anerkannt und auch als Gräberfeld genutzt wurde. 

Bild 18: Knochenreste des gestohlenen Skeletts 

Das Erdwerk - Ein römisches Marschlager?

Bild 19: Abgerundete Ecke des Erdwerks (Grabungsfläche)

Die geomagnetische Prospektion ergab im südöstlichen Grabungsareal die Strukturen einer abgerundeten Ecke eines vermutlich rechteckigen Erdwerks. Der Grabenquerschnitt (Bild 20) dokumentiert einen Sohlgraben mit wannenförmigem Querschnitt.
Es fehlt also das für römische Militäranlagen typische Spitzgrabenprofil (Bild 21). 

Die Archäologen gehen aber davon aus, dass es sich wahrscheinlich bei dem Erdwerk um ein römisches Marschlager gehandelt hat, das in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus kurzzeitig angelegt wurde.

Ein römischer Kleinfund aus dem "Innenraum" belegt  zumindest zweifelsfrei die Anwesenheit der Römer an dieser Stelle. 

Bild 20: Profilschnitt durch den Graben

Bild 21: Querschnitt durch die Befestigung (Spitzgraben, Wall) eines Standardmarschlagers

Die Körperbestattung in Hockerstellung (Hockergrab)

Im "Innenbereich" des vermuteten "römischen Marschlagers" wurde in Grabennähe ein zweiter Kreisgraben und ein weiteres Skelett entdeckt (Bild 19 u. 22). Der relativ kleine Kreisgraben, im Luftbild nicht sichtbar, war wie der große Kreisgraben fundleer und wies in direkter Nähe ein Körpergrab auf. Die Archäologen gehen davon aus, dass die beiden Kreisgräben in einem zeitlichen und funktionalen Kontext standen. Möglicherweise kann auch der zweite Kreisgraben als keltische Kultstätte angesprochen werden. Einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Körpergräbern ist wahrscheinlich auszuschließen.  
Bei dem entdeckten beigabenlosen Körpergrab handelte es sich um eine sogenannte Hockerbestattung (Hockergrab). Um es vor einem Diebstahl zu schützen, wurde das sehr gut erhaltene Skelett nach der Freilegung eine Nacht lang vom Grabungsleiter bewacht .

Bild 22: Grabungsfläche - Position der Befunde

Bild 23: Hockerbestattung nach der Freilegung

Bild 24: Hockerbestattung

Bild 25: Hockerbestattung

Bild 26: Hockerbestattung

Bild 27: Hockerbestattung

Der Leichnam wurde wahrscheinlich bewusst in Hocklage von Nordwesten nach Südosten orientiert in die Grabgrube gelegt.
Er lag auf der rechten Seite, die Beine waren angewinkelt. Auf dem linken Unterschenkelknochen lag die linke Hand. Der Kopf zeigte nach Norden und lag an/auf der rechten Hand des angewinkelten rechten Arms. Bei genauer Betrachtung entspricht diese Lage der Position, die Menschen häufig im Schlaf annehmen. Diese angenehme Schlafstellung sollte scheinbar auch der Tote bei seinem "Todesschlaf" einnehmen.

 

Bild 28: Hockerbestattung

Die enge Lage der Ober- und Unterschenkelknochen deuten zudem darauf hin, dass die Beine mit der linken Hand verschnürt waren. Möglicherweise wollte man mit dieser Anordnung die Wiederkehr des Toten verhindern.  Angaben zum Geschlecht, dem Alter sowie der zeitlichen Einordnung der beigabenlosen Bestattung liegen zur Zeit noch nicht vor. Möglicherweise kann die Grablegung, aufgrund der charakteristischen Hockerbestattung, in das Neolithikum oder der frühen Bronzezeit datiert werden.

 

Bild 29: Hockerbestattung

Bild 30: Hockerbestattung

Bild 31: Vorbereitende Arbeiten vor der Bergung des Skeletts

Bild 32: Hockerbestattung - Bergung

Bild 33: Hockerbestattung - Bergung

Bild 34: Hockerbestattung - Bergung

Bild 35: Hockerbestattung - Bergung

Direkt unter der Grabgrube (Bild 36) wurde ein verfüllter Schacht entdeckt, der anfänglich als Kultschacht gedeutet wurde. Die weiteren Ausgrabungen ergaben aber, dass es sich lediglich um einen runden  Brunnenschacht (Bild 38 - 40) gehandelt hat. Offenbar war der Brunnen irgendwann nicht mehr genutzt worden und ist dann teilweise zugeflossen. In den schon verfüllten Brunnen wurde dann in einer nachträglich eingegrabenen Grube der Leichnam in Hockerstellung bestattet.

Bild 36: Grabgrube nach der Skelettbergung

Bild 37: Schnitt durch die Grabgrube der Hockerbestattung

Unterhalb der Hockerbestattung wurde ein vier Meter tiefer Brunnen nachgewiesen, der möglicherweise einmal mit einem Weidengeflecht ausgekleidet war. Bis auf einen Vogelknochen (Bild 39) war der Brunnenschacht aber fundleer.

Siedlungsfunde, die möglicherweise in Verbindung mit dem Brunnen gebracht werden könnten wurden nicht gemacht. Sicher ist aber, dass er erheblich älter ist als die darüber angelegte Hockerbestattung.

 

Bildergalerie:  Hockerbestattung

Bild 38: Brunnenschacht unter der Grabgrube

Bild 39: Brunnenschacht - Knochen eines Vogels

Bild 40: Brunnenschacht unter der Grabgrube

Abschluss der Notgrabung

Bild 41: "Im Oberfeld" (Luftbild 19.09.2008)

Bild 42: "Im Oberfeld" (Luftbild 19.09.2008)

Die Grabungen wurde nach knapp vierwöchiger intensiver Arbeit offiziell am 04.09.08 abgeschlossen. Die wissenschaftliche Auswertung der Grabungsergebnisse steht noch aus, man darf daher annehmen, dass noch einige interessante Erkenntnisse zu erwarten sind. Viele Fragen zu den keltischen und römischen Befunden werden aber leider unbeantwortet bleiben.

Bild 43: Industrieansiedlung (Vögele AG) "Im Oberfeld" - Luftbild vom 23.05.2009

Weiterführende Links

Prospektionsarbeit

Luftbildbefunde "Im Oberfeld" (2007)

Stand: 10. Oktober 2008

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Kreisgraben (Luftbildarchiv)

Notgrabung in Rheingönheim "Im Oberfeld"

2008

 

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Hockergrab (Bildergalerie)

Notgrabung in Rheingönheim "Im Oberfeld"

2008

 

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archaeoflug 2008


www.archaeoflug.de