BH


Das Ende der römischen Landgüter
Chronologie des Untergangs der Römerherrschaft

1. - 2. Jh.

Mit der Verlegung der Reichgrenze vom Rhein nach Osten (um 74 n. Chr.) und dem Limesbau (um 85 n. Chr.) begann für die Pfalz  eine fast anderthalb Jahrhunderte lang andauernde Zeit des Friedens. Das Siedlungswesen und die wirtschaftliche Entwicklung erreichte in dieser Periode eine noch nie da gewesene Blüte (vgl. Petrovszky, 1994, 16).

213

Im Jahr 213 erschienen sie zu erstenmal an der römischen Grenze. Die Angriffe konnten zwar ohne Schwierigkeiten abgewehrt werden, doch war dies nur der Auslöser einer schier endlosen, bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts andauernden Serie von germanischen Einfällen  und somit auch das Ende des prosperierenden Lebens der obergermanischen Provinzen und der friedlichen Phase in der Pfalz (vgl. Petrovszky, 1994, 18).

259/260

In der Zeit der Soldatenkaiser (235-308) meuterten immer wieder größere Heeresabteilungen und riefen einen ihnen genehmen Offizier zum Gegenkaiser aus. Das römische Heer verzettelte sich in Bürgerkriegen. Die zentrale Macht im Römerreich zerfiel (vgl. Baatz, 1982, 215). Der ständige Herrscherwechsel in dieser Zeit führte  zu einer erheblichen Schwächung der Rheingrenze, die Alamannen und Franken  zu Überfällen nutzten.  In den Jahren 259/260 kam es zu den ersten verheerenden Einfällen der Alamannen, die über die gesamte Rheinzone und bis weit nach Gallien reichten. Die zivilen Siedlungen in der Pfalz wurden schwer getroffen. Die Germanen wurden zwar zurückgeschlagen, aber die rechtsrheinischen Gebiete und der Limes musste aufgegeben werden. Der Rhein wurde wieder Reichsgrenze, die aber von den Römer nur mit viel Mühe gehalten werden  konnte.  In der Folgezeit entstehen befestigte Höhensiedlungen (z. B. die Heidenburg bei Kreimbach, der "Große Berg" bei Kinsbsbach, die Heidelsburg bei Waldfischbach und wahrscheinlich auch die Limburg und die Bergbefestigung "Drachenfels" bei Bad Dürkheim).

275/276

Um das Jahr 275/276 kam es erneut zu vernichtenden Germaneneinfälle in den rheinischen Provinzen und in Gallien. Alle Kastelle im nördlichen Teil des Niedergermanischen Limes wurden zerstört. Nahezu alle pfälzischen Landgüter und Siedlungen fielen den Überfällen zum Opfer. Auch die befestigten Höhensiedlungen waren betroffen. Viele der Bewohner waren umgekommen, versklavt oder waren fortgezogen. Die Provinzen stürzten in eine schwere Wirtschaftskrise, ganze Landstriche waren entvölkert, die Städte, wie zum Beispiel Speyer und Worms, schrumpften auf einen Bruchteil ihrer vorherigen Größe, viele Produktionsbetriebe und Steinbrüche stellten ihre Tätigkeit ein. Nur langsam begann man danach mit der Reorganisation der  Provinz. 

 

Die Entwicklung der ländlichen Strukturen verlief dabei sehr unterschiedlich. Die ausgedünnte, bodenständige Provinzialbevölkerung versuchte man mit der Ansiedelung von germanischen Neusiedlern zu kompensieren. Trotzdem konnte wegen dem Bevölkerungsmangel weite Teile des Landes nicht mehr besiedelt werden. Daher wurden die Gutshöfe in diesen Gebieten nicht wieder aufgebaut und blieben verlassen.  Entsprechend den finanziellen Möglichkeiten wurde ein Teil der zerstörten Höfe wieder aufgebaut. Vereinzelt lässt sich aber auch nachweisen, dass nur noch eine Teil der ursprünglichen Hof- und  Hausanlagen genutzt wurde.
Die scheinbar entschlossene Reorganisation der Provinz musste bei den römischen Bürgern Vertrauen geweckt haben, denn bei einigen Gutshöfen wurden nicht nur die Schäden behoben, sondern auch teilweise größere An- und Umbauten durchgeführt, wie bei dem Landgut von Bad Dürkheim-Ungstein das erheblich erweitert wurde (vgl. Bernhard, 1990, 136, 318). Obwohl die folgende Epoche unruhig blieb, belegen die aufwändigen Bestattungen und reiche Grabbeigaben, das Anwachsen des Wohlstands der privilegierten Bevölkerungsschichten.
 Gleichzeitig wird in dieser Zeit die Kluft zwischen dieser -  der besitzenden Oberschicht - und den immer stärker in Abhängigkeit geratenen ländlichen Kleinpächtern und Tagelöhnern  immer größer.  Oft blieb dieser breiten Unterschicht nur das Nötigste zum Leben. In Gallien führen diese Zustände 285 zu Aufständen (Bagaudenaufstand), von denen scheinbar auch der Trierer Raum betroffen war (vgl. Bernhard, 1990, 137). In konstantinischer Zeit erlebt die Provinz (z. B. in Trier) noch einmal eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit.

352/353

Während der Zeit der Usurpation des Magnentius (350-353), kommt es in den Jahren 352 und 353 erneut zu verheerenden Germanenüberfällen. Die Alamannen erobern das Gebiet zwischen Hochrhein und Nahe. Schlagartig endete zwischen Basel und Mainz jegliches römische Leben. Im Norden drangen die Franken ein, der gesamte Niederrhein mit Köln wurde besetzt, selbst Trier war von Zerstörungen betroffen. Alle Orte in der Rheinebene, wie auch die Höhensiedlungen des Pfälzer Waldes, wurden auf ihrem Weg zerstört und geplündert.
Erst 357 können die Römer das Rheingebiet wieder von den Germanen befreien (vgl. Petrovszky, 1994, 20f). Der Mittelteil der Rheingrenze wird in der Folgezeit mit zusätzlichen Wehrbauten und Festungen (z. B. Alta Ripa) gesichert.

406/407

401 zogen die Westgoten (Alarich) nach Italien. Darauf hin werden die Grenztruppen vom Rhein zu einem Feldzug, ins Kernland nach Italien verlegt. Die Rheingrenze war dadurch erheblich geschwächt.   Die Rheinprovinzen erleben bis 406/407 eine letzte gute Zeit, bis die Alanen zusammen mit einigen Germanenstämmen (Sueben, Vandalen) den Rhein bei Mainz überqueren und die gesamte Grenzverteidigung zwischen Bingen und Seltz vernichten. Auch viele Städte - wie Worms und Speyer - wurden geplündert.

Die Römer waren nicht mehr in der Lage die nun eindringenden Germanen über den Rhein zurückzuwerfen. Einige Stämme setzen sich westlich am Rhein fest.  Es gelang den Römern aber noch, die meisten Stämme vertraglich zu binden und zur Verteidigung der Rheingrenze zu verpflichten (vgl. Baatz, 1982, 223). Die Burgunder werden um 413 in der Umgebung von Worms angesiedelt um die Grenze gegen ein weiteres Vordringen der Germanen zu schützen. Zu dem Föderatenstatus der Burgunder gehörte nicht nur die Besetzung und Wiederherstellung der Grenzfestungen, sondern auch die Nutzung der "burgi" - wie Eisenberg und Bad Dürkheim-Ungstein - und der Festungen wie Bad Kreuznach und Alzey (Bernhard, 1990, 159).  

456

Das Burgunderreich in der Vorderpfalz hatte aber nur einen kurzen Bestand. 437 wurden  die Burgunder durch einen Angriff der Hunnen weitgehend vernichtend geschlagen. Die Überlebenden wurden um 443 von den Römern an den Genfer See umgesiedelt.
In viele Orten und Siedlungen lassen sich, für die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts, noch Spuren einer Weiterbewohnung durch die romanische Bevölkerung nachweisen.  Möglicherweise gab es noch lokale Verwaltungen, aber eine  funktionierende römische Zentralgewalt dürfte es nicht mehr gegeben haben. Wahrscheinlich kam die  immer schlechter funktionierende Infrastruktur gegen Mitte des 5. Jahrhunderts aber vollständig zum erliegen (vgl. Petrovszky, 1994, 22f). Funde, im Zusammenhang mit der Villa rustica in Wachenheim, deuten auf das Jahr 455 hin. Spätestens zu dieser Zeit war das römische Leben in der Vorderpfalz zu Ende .

451 überquerten die Hunnen auf ihrem Weg nach Gallien mit einem gewaltigen Heer den Oberrhein und zerstörten dabei auf ihrem Zug nach Gallien die Städte Mainz, Trier und Metz. Noch im gleichen Jahr werden sie in Gallien (Katalaunische Felder) geschlagen und ziehen sich zurück.
Der Untergang der Römerherrschaft am Rhein kam kurze Zeit danach. 455 musste ein römisches Heer bei Köln eine vernichtende Niederlage durch die Rheinfranken hinnehmen. Die Franken plündern Trier (455), nehmen es aber noch nicht endgültig ein. Köln wurde 459 eingenommen und fränkisch (vgl. Bernhard, 1990, 160,168).
Im gleichen Zeitraum besetzten die ersten alamannischen Siedler die linke Rheinseite und die "entvölkerte" Vorderpfalz (vgl. Petrovszky, 1994, 22f). Die Masse der alamannischen Siedler lebten in Dörfern,  weilerartigen Hofgruppen und Einzelhöfen in Fachwerkbauten. Bei der starken Orientierung auf landwirtschaftlich günstige Plätze, an denen man in der Regel auch  noch die verlassenen römischen Felder, das zugehörige Wege- und Gewässernetz und die Wasserversorgung nutzen konnte, verwundert es kaum, dass in nicht wenigen Fällen auch die aufgelassenen römischen Gutshöfe selbst als Siedlungsstellen aufgesucht wurden.  Von einer Weiterbenutzung römischer Gutshofareale, teilweise sogar römischer Gebäude, wenn sie noch in einem akzeptablen Zustand waren, kann ausgegangen werden. Bei schlechter Bausubstanz hat man wahrscheinlich über und zwischen den teilweise zerstörten römischen Bauten die traditionellen Holzhäuser, Pfostenbauten und Grubenhäuser errichtet (vgl. Heiligmann, 1997, 127ff).
Nach 478  wurde auch Trier fränkisch  und  486  ist auch Gallien völlig in der Hand der Franken. Bei Züplich (Tolbiacum), einer Stadt zwischen Aachen und Bonn, kam es 496 zu einer  entscheidenden Schlacht zwischen Franken und Alamannen. Die Franken unter dem zwanzigjährigen Fürst Chlodwig, aus dem Geschlecht der Merowinger, besiegten das alamannische Heer und besetzen in der Folge auch die Gebiete um Worms und Speyer.  Das Ende der alamannischen Periode ist der Beginn der fränkisch-merowingischen Herrschaft in der Pfalz.

6. Jh.

Wie groß der Anteil fränkischer Siedler in jener Zeit gewesen ist, wie viele alemannische Bauern in der Pfalz geblieben sind, wie viele Römer oder romanisierte Kelten im 6. Jahrhundert in der heutigen Pfalz geblieben und gelebt haben lässt sich nicht mehr feststellen (vgl. Moersch,  1987, 55).  Von einer anfänglich friedlichen Koexistenz und einer späteren Vermischung der einzelnen Bevölkerungsgruppen unter fränkischer (merowingischer) Herrschaft darf ausgegangen werden. Die Franken besiedeln die Pfalz. Die Höfe bestehen aus größeren, ebenerdigen Häusern in Fachwerktechnik und in die Erde eingetieften Grubenhäusern.  Manche pfälzische Dörfer sind später aus solchen Gehöften hervorgegangen. Zahlreiche Orte und Flurnamen mit den Endungen -heim, -ingen, -stadt (statt) und -stein verweisen darauf.
Die Wissenschaft bezeichnet die Epoche zwischen 450 bis 700 als "Merowingerzeit". Da die Unterscheidung zwischen "Franken" und "Alamannen" in der Pfalz schwierig ist, bezeichnet man die Funde aus dem Siedlungsraum beider Gruppen mit dem übergeordneten Begriff "merowingisch".
Einige Teile der Pfalz, die in römischer Zeit dicht besiedelt waren, bleiben aber scheinbar für mehrere hundert Jahre unbeachtet.  Die Siedlungslücken werden in der Ausbauzeit geschlossen. Ortsnamen mit den Endungen -bach, -weiler, -hausen, -dorf, -feld, -born, und -roth sollen darauf hinweisen (vgl. Sprater, 1948, 23). Ortsnamen die bis zur Römerherrschaft zurückreichen haben sich dagegen, bis auf Altrip (alta ripa), Rheinzabern (tabernae) und Pfortz (portus), nicht erhalten (vgl. Sprater, 1948,  22).

 

Die von den Römern bewusst gewählten Siedlungsstellen hatten nach der Römerzeit ihre Bedeutung nicht ganz verloren und wurden oft ebenfalls zur Keimzelle einer neuen Siedlung, eines Dorfes oder einer Stadt. Da die Alamannen und Franken in der Anfangszeit Holzhäuser errichteten, blieben die steinernen Ruinen der römischen Landgüter unbeachtet. Erst im 8. Jh., als die ersten Kirchen in Stein gebaut wurden, begann man die Ruinen abzutragen. Einige ehemalige römische "Villen" wurden dabei von Dörfern oder Kirchen einfach überbaut, wie z. B.  in Maikammer.  Die verbliebenen Mauern wurden ab dem 10. Jh. abgetragen, als die Holzbauweise durch den Bau von Steinhäusern abgelöst wurde. Von den abgetragenen und nicht überbauten Villen blieb oft nichts mehr erhalten. Unter günstigen Bedingungen kann man heute die Fundamente nur noch aus der Luft als negative Bewuchsmerkmale auf einem Feld lokalisieren.  

Literatur:

Baatz, Dietwulf: Die Römer in Hessen, Stuttgart, 1982.
Bernhard, Helmut: Strukturen 2001, in:. Archäologische Denkmalpflege Amt Speyer. Archäologie in der Pfalz. Jahresbericht 2001, Rahden/Westf, 2003.
Bernhard, Helmut: Fundkarten zur Römerzeit, in: Alter, W, Pfalzatlas. Textband 2, Speyer, 1971.
Bernhard, Helmut: Die römische Geschichte in Rheinland-Pfalz, in: Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart, 1990.
Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart, 1990.
Günter, Rosmarie: Das Mannheimer Römerbuch. Römischer Alltag in unserer Region. Ein Lesebuch, Mannheim, 1993.
Heiligmann, Jörg: Rom und seine germanischen Nachbarn, in: Die Alamannen, Hrsg.: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Stuttgart, 1997.
Moersch, Karl: Geschichte der Pfalz. Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert, Landau/Pfalz, 1987.
Petrovszky, Richard: Die Pfalz in römischer Zeit, in: Die Römerzeit. Speyer. Historisches Museum der Pfalz, Speyer 1994.
Roller, Otto: Wirtschaft und Verkehr, in: Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart, 1990.
Sprater, Friedrich: Die Pfalz in der Vor- und Frühzeit, Speyer, 1948.

archaeoflug 2007


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